Denken wir uns ein mittelständisches Unternehmen. Vor einigen Wochen ist ein junger Mitarbeiter neu ins Haus gekommen und hat seine Lehrzeit begonnen. Heute wird er dem Unternehmensleiter vorgestellt und von diesem durch die Büroräume geführt. Die beiden gehen über den Flur, auf dem Boden liegt eine Büroklammer. Was jetzt passiert:
Alternative 1: Da der Azubi nicht reagiert, ranzt der Chef ihn an: „Junger Mann, auch Kleinigkeiten haben ihren Wert. Dieses Unternehmen konnte ich nur zu seiner Größe führen, indem ich mich auch mal nach einer Büroklammer gebückt habe.“
Alternative 2: Der Azubi bückt sich, um die Büroklammer aufzuheben. Kommentar vom Obersten: „Sie müssen noch lernen, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden. Hätte ich meine Zeit damit vertan, jede Büroklammer aufzuheben, wäre das Unternehmen nicht da, wo es heute ist.“
Fazit 1: Es gibt meist nicht DIE richtige Entscheidung. Vielmehr kommt es auf die Perspektive oder den Maßstab an. Je nachdem, was man zugrunde legt (hier: Wertschätzung von Kleinigkeiten vs. Effizienz) kommt man zu einer anderen Bewertung.
Fazit 2: Man neigt oft dazu, seine eigene Vorstellung als die (einzig) Richtige einzustufen. Wer eine andere Meinung vertritt, ist entweder blöd oder übersieht irgendwelche Aspekte. Die kleine Geschichte zeigt aber, dass ein abweichendes Urteil auch aus sachlich richtigen Gründen zustande kommen kann.
Fazit 3: Für das richtige Verhalten bzw. akzeptierte Entscheidungen muss man die Werte seines Gegenübers kennen. Je besser man dessen Grundeinstellung antizipieren kann, desto leichter kann man die aus seiner Sicht korrekte Entscheidung vorhersehen.
Fazit 4: Man kann es nicht jedem Recht machen.
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